Die Gesellschaft mit variablem Kapital

Von Ralitsa Mahony

Besonderheiten und Vorteile der neuen Gesellschaftsform in Bulgarien

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Mit der 66. Ausgabe vom 01.08.2023 des bulgarischen Gesetzblattes wurde ein neues Kapitel fünfzehn „a“ in das Handelsgesetz eingeführt, welches die sogenannte Gesellschaft mit variablem Kapital („GVK“) regelt. Im Wesentlichen weist diese Ähnlichkeiten sowohl mit Personen-, als auch mit Kapitalgesellschaften auf, und ihrem Zweck nach eignet sich die GVK vor allem für Startups. Im Folgenden werde ich kurz die rechtlichen Besonderheiten dieser neuen Unternehmensform sowie ihre attraktiven Seiten für Startups darstellen.

Besonderheiten der GVK

Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen der GVK und den bestehenden Gesellschaftsformen, insbesondere der GmbH und der AG nach bulgarischem Recht. Gleichzeitig unterscheidet sich die GVK jedoch von diesen durch interessante Besonderheiten, einige von denen ich im Folgenden auflisten werde.

  • Beim ersten Lesen der Regelungen zur GVK fällt die häufige Verwendung der Ausdrücke „sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist“ und „der Gesellschaftsvertrag kann etwas anderes vorsehen“ auf.
Auf diese Weise wurde dem Ermessen der Gründer und Gesellschafter überlassen, die meisten Fragen der Unternehmensorganisation zu entscheiden, wodurch ein hohes Maß an Managementflexibilität erreicht werden kann.
  • Ein weiterer Vorteil der GVK ist der im Vergleich zu anderen Gesellschaftsformen reduzierte Verwaltungsaufwand. Dies wird, zum einen, durch erleichterte Formerfordernisse, beispielsweise bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die nur mit einem schriftlichen Vertrag (ohne notarielle Unterschriftsbeglaubigung) erfolgen kann, erreicht. Zum anderen folgt der geminderte Verwaltungsaufwand von der Besonderheit der Gesellschaft, dass sie über kein eingetragenes Kapital verfügt, sodass Änderungen in der Kapitalhöhe nicht im Handelsregister eingetragen werden sollen. Darüber hinaus werden die Sachverständigen für die Bewertung von Sachbeiträgen der Gesellschafter nicht von einem Beamten der Meldebehörde ernannt, sondern vom Leitungsorgan der GVK bestimmt.

  • Was das Kapital angeht, so hat die GVK, wie bereits erwähnt, kein eingetragenes Kapital, d. h. das Kapital ist weder im Gesellschaftsvertrag festgelegt noch im Handelsregister eingetragen. Die Höhe des Kapitals der GVK bestimmt sich nach dem Nettowert ihres Vermögens, der einmal jährlich bei der Verabschiedung des Jahresabschlusses ermittelt wird (und damit die Veränderung des Kapitals im Vergleich zum Vorjahr). Die Tatsache, dass kein Stammkapital vorhanden ist, bedeutet jedoch nicht, dass keine Verpflichtung zu Geld- oder Sacheinlagen der Gesellschafter besteht. Und als Gegenleistung für die geleisteten Einlagen erhalten die Gesellschafter Anteile, deren Nennwert nicht weniger als BGN 0,01 betragen kann.

  • Damit ein Unternehmen in der Form einer GVK bestehen kann, werden Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl der Mitarbeiter festgelegt, die 50 nicht überschreiten sollte, sowie des Jahresumsatzes und des Nettowerts der Vermögens, die bis auf BGN 4 000 000,00 begrenzt sind.

Sollte die jährliche Gesellschafterversammlung feststellen, dass auch nur ein dieser Kriterien nicht mehr vorliegt, soll die GVK in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt werden, andernfalls kann sie auf Antrag des Staatsanwalts durch das für den Sitz der Gesellschaft zuständige Bezirksgericht aufgelöst werden.

Gerade die Festlegung von Obergrenzen für Personalbestand, Umsatz und Vermögenswert zeigt den gesetzgeberischen Willen, dass vor allem Startups von dieser Gesellschaftsform profitieren sollen.

  • Die Haftung der Mitglieder des Leitungsorgans für der Gesellschaft hinzugefügte Schäden ist keine mit der GVK eingeführte Neuerung.
Neu dabei ist jedoch die Durchgriffshaftung sowohl der Leitungsorgansmitglieder als auch der beherrschenden Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern für die ihnen gegenüber für ungültig erklärten Geschäfte, sofern Vorsatz gegeben ist.

Vorteile der GVK für Startups

Die GVK-Regelungen enthalten mehrere Sonderbestimmungen, die einerseits die Gewinnung von Investoren ermöglichen sollen und andererseits alternative Methoden zur Mitarbeitermotivation vorgeben.

  • Zunächst einmal kann im Gegensatz zu den GmbH-Vorschriften grundsätzlich (wiederum, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist) jeder GVK-Gesellschafter über seinen Gesellschaftsanteil frei verfügen, d. h. ohne dass hierfür die Zustimmung der übrigen Gesellschafter bzw. der Gesellschafterversammlung erforderlich ist. Es besteht auch die Möglichkeit, die notarielle Unterschriftsbeglaubigung auf den Anteilsübertragungsvertrag durch die einfachere Schriftform zu ersetzen. Dies erleichtert den Kauf und den Verkauf von Unternehmensanteilen erheblich.

  • Darüber hinaus besteht für GVK, ähnlich wie bei der AG, die Möglichkeit, dass diese eigene Anteile erwirbt. Die Bedingungen und das Verfahren hierfür bleiben dem Willen der Gesellschafter überlassen, wobei hinsichtlich der gesellschaftseigenen Anteile jedoch einige Einschränkungen vorgesehen sind. Eine davon besagt, dass der Gesamtnennwert der eigenen Anteile 50 % des Gesamtwerts aller Anteile nicht überschreiten darf. Kommt es zu einer Überschreitung dieser Schwelle, muss die GVK innerhalb einer Frist von drei Jahren die überschüssigen Anteile übertragen, damit diese nicht für ungültig erklärt werden. Eine weitere Einschränkung hinsichtlich der eigenen Anteile der GVK besteht darin, dass die Gesellschaft die Rechte (wie etwa Stimmrechte) daraus nicht ausüben kann, die Anteile jedoch bei der Festlegung des Quorums und der Stimmenmehrheiten bei der Abhaltung einer Gesellschafterversammlungen berücksichtigt werden.

Der Hauptzweck des Besitzes eigener Anteile durch die GVK ist die Einräumung von Rechten zugunsten von Angestellten (im Rahmen von arbeitsrechtliche oder auch sonstige Beschäftigungsverhältnisse, d. h. auch zugunsten von freien Mitarbeitern) auf Anteilserwerb (Mitarbeiterbeteiligung). Auf diese Weise werden die Mitarbeitermotivation und das Interesse am Unternehmenserfolg gesteigert.

Die Beschränkungen der Ausübung des Anteilserwerbsrechts durch Arbeitnehmer beziehen sich aus Sicht der Gesellschaft auf eine Höchstzahl der von Arbeitnehmern zu erwerbenden Anteile, nämlich bis zu 15 % aller Anteile. Auf Seiten der Arbeitnehmer besteht die Möglichkeit, dass ihnen die Übertragung der von der Gesellschaft erworbenen Aktien für die Dauer von bis zu 5 Jahren ab dem Erwerbsdatum untersagt wird. Das Anteilserwerbsrecht ist nicht übertragbar, aber unter Umständen vererbbar.

  • Weiterer Vorteil der GVK besteht für Startups in der Regelung des sogenannten Drag-Along- und Tag-Along-Rechte. Diese lautet, dass der Gesellschaftsvertrag Bedingungen vorsehen kann, wonach ein Gesellschafter mit Gesellschafterbeschluss dazu verpflichtet werden kann, seine Anteile zu übertragen sowie bis zur Anteilsübertragung sein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung nicht auszuüben, soweit seine Anteile auch unter dieser Bedingung gezeichnet sind. Für den Fall, dass der Gesellschafter die Gesellschaftsanteile nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach seiner Benachrichtigung überträgt, können seine Geschäftsanteile von der Gesellschaft erworben werden.
Zweck dieser Regelung ist die Realisierung von Investitionen und gleichzeitig der Schutz von Minderheits- (bei Tag-along) und Mehrheitsgesellschaftern (bei Drag-along-Recht).
  • ein Mittel zur Anziehung von Investitionen ist die für die GVK geregelte Möglichkeit, im Rahmen von Darlehensverträgen Rechte zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen auszugeben. Ähnlich wie bei AG-Anleihen kann der Kreditgeber für den Fall, dass die GVK ihren Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag zur fristgerechten Rückzahlung des geliehenen Betrags nicht nachkommt, sein Recht auf Erwerb von Anteilen an der kreditnehmenden GVK geltend machen, also das Darlehens- in ein Mitgliedschaftsverhältnis umwandeln. Die Voraussetzungen und das Verfahren zur Umsetzung der damit vom Gesetzgeber eingeräumten rechtlichen Möglichkeit sollten im Gesellschaftsvertrag geregelt werden.

  • Eine Besonderheit im Vergleich zu den GmbH-Vorschriften ist die Befugnis der Gesellschafterversammlung, einen Gesellschafter – juristische Person im Falle eines Kontrollwechsels darin auszuschließen. Die Idee dieser Möglichkeit besteht darin, dass die Gesellschafter nicht gezwungen werden sollen, mit unbekannten, für ihre Organisation fremde Personen zusammenzuarbeiten. Im Falle eines Ausschlusses werden die Anteile des Gesellschafters – juristische Person mit veränderter Kontrolle von der Gesellschaft übernommen. Die Alternative zum Ausschluss ist die Nichtausübung des Stimmrechts durch den Gesellschafter – juristische Person mit veränderter Kontrolle. Damit eine dieser Alternativen ausgeübt werden kann, müssen die Anteile der Gesellschafter - juristische Person unter entsprechenden Bedingungen gezeichnet worden sein. Damit die übrigen Gesellschafter (rechtzeitig) Kenntnis von einem Kontrollwechsel erlangen können, sollte im Gesellschaftsvertrag außerdem eine Verpflichtung für den Gesellschafter – juristische Person festgelegt werden, eine Änderung in der Zusammensetzung der diese kontrollierenden Personen (unverzüglich) anzuzeigen.

Inkrafttreten und Anwendbarkeit der neuen Gesellschaftsform

Obwohl die Bestimmungen des Kapitels fünfzehn Buchstabe “a” des Handelsgesetzes seit Anfang August dieses Jahres in Kraft sind, ist die Gründung einer Gesellschaft mit variablem Kapital in der Praxis derzeit nicht möglich. Der Meldebehörde wurde eine Frist bis Ende Juni 2024 gesetzt, die notwendigen technischen Mittel zur Handelsregistereintragung einer GVK bereitzustellen.

Fazit

Der Regelungsrahmen der GVK bietet den Gründern im Vergleich zu den bisher bekannten Gesellschaftsformen Freiheiten für die individuelle Gestaltung der Mitgliedschaftsverhältnisse. Die dadurch gewährte Freiheit sollte allerdings, zum einen im Hinblick auf die Möglichkeit von Widersprüchen mit den dennoch gleichzeitig bestehenden rechtlichen Beschränkungen, vorsichtig genutzt und angewendet werden. Andererseits bedarf die vollständige, klare und präzise Formulierung von Rechten und Pflichten, besonders bei der Festlegung der Bedingungen zur Einräumung von Anteilserwerbsrechten durch Arbeitnehmer oder die Ausgabe von Anteilserwerbsrechten gegen Forderungen, beispielsweise aus Darlehensverträgen, der Rücksprache mit einem Rechtsanwalt bereits bei der Planung des Prozesses zur GVK-Gründung.

Mahony's Law Studio bietet umfassende Beratung für die GVK-Gründung sowie Unterstützung bei der Erstellung der Gründungsunterlagen und, wenn die technische Möglichkeit dafür geschaffen wird, auch bei der Handelsregistereintragung einer GVK sowie nachträglicher Änderungen daran.